JazzFest.Wien 2010
Herbie Hancock
Herbie Hancock ist die vielleicht wichtigste Integrationsfigur des Jazz. Wohl auch dafür wurde er 2008 für sein Pop-Jazz-Album „River/The Joni Letters“ mit dem Grammy fürs „Album Of The Year“ ausgezeichnet, eine Ehre, die Jazzern so gut wie nie erwiesen wird. Doch schön langsam begreifen die Amerikaner, dass sie für das Genre so was wie einen Nationalpark gründen müssen, um jene seltenen, eigenwilligen Wesen zu hegen, die Musik abseits des Formatradiogedudel machen. Dabei macht es ein musikalisches Chamäleon wie Hancock seinen Hörern doch etwas leichter als jene die nur die harsche Kost bieten.
Seinen Status als Jazzikone hat der 1940 in Chicago geborene Herbert Jeffrey Hancock ohnehin schon in den Sechzigerjahren auf dem Label Blue Note erspielt. Wem seine superben Soloalben noch nicht gereicht haben, dem hat er nebenbei als Sideman von Miles Davis, Donald Byrd, Kenny Dorham, Freddie Hubbard, Wayne Shorter und vielen vielen mehr interessanteste musikalische Kost geboten. Außerdem verfertigte er superbe Soundtracks, half die Elektrifizierung des Jazz durchzusetzen. Die Integration neuer Stile und Techniken in den Jazz sowie ein ungeheurer musikalischer Verfeinerungsprozeß läßt sich auf seinen superben Alben der sechziger- und siebziger Jahre sehr sinnlich nachvollziehen.
Vor allem seine Fusionalben begeisterten. Mit seinem Mwandishi-Sextett brach er ins elektronische Universum auf. Alben wie „Mwandishi“, „Crossings“ und „Sextant“ sind, obwohl gänzlich anders gebaut, von gleicher Zeitlosigkeit wie das Blue-Note-Ouevre des Meisters. Sein nächster musikalischer Schritt, jener in den Funk, machte Hancock zum Millionär. Sein Outfit „Headhunters“ katapultierte den subtilen Pianisten ins Herz des Rockgeschehens. Doch Hancock war immer schneller als seine konservativen Kritiker. Ein Soundtrack zum Film „Ein Mann sieht rot“ („Death Wish“), danach folgten deliziöse Discoalben wie „Feets don´t fail me“, „Sunlight“, das von Rod Temperton mitgestaltete „Lite me up“ sowie das 1980er-Opus „Monster“, von dem das bewegende „Stars in your eyes“ zu den gesuchtesten 12inch-Platten der letzten Jahre gehört.
Ein nächster Meilenstein war „Rockit“, jenes Stück, daß das Genre Electro etablierte. Später in den achtziger Jahren erfolgte Hancocks neuerliche Hinwendung zum akustischen Jazz, ohne davon zu lassen, alle paar Jahre wieder, etwas neues zu probieren. Etwa seine Hommage an George Gershwin, die ihn in symphonisches Umfeld führte, in dem er Blues, Jazz, Ragtime und impressionistische Klassiker auf ganz eigene Art fusionierte. Der Meister mäanderte stilstisch beständig weiter. Freigeist der er ist, versuchte Hancock spektakuläre Coups in Bereichen außerhalb des Jazz zu landen.
Sein aktuelles Opus „The Imagine Project“ wurde einmal mehr zu einer All-Star-Angelegenheit, die sowohl Pop- wie Jazzprominenz versammelt. Aufgenommen in Mumbai, London, Paris und Dublin brillieren so unterschiedliche Musiker wie Sitarspielerin Anoushka Shankar, die Gitarristen Jeff Beck und Lionel Louke und Bassist Marcus Miller. Unter den Vokalisten sind das Bluespaar Susan Tedeschi und Derek Trucks, die Popstars Pink und Seal, Latin Lover Juanes und die Afrikanerin Oumou Sangare. Hancock will mit diesem Projekt zeigen, das Musik eine universelle Sprache ist, in der Angelegenheiten wie Weltfrieden, Humanität und Toleranz optimal kommuniziert werden können. Produziert hat der umtriebige Larry Klein. Zusätzlich zum Album wird es eine eigene Website geben auf der Dokumentarfilme, Live-Performances und andere Inhalte gezeigt werden.
line up:
Herbie Hancock
Vinnie Colaiuta – Drums
Tal Wilkenfeld – bass
Lionel Loueke – guitar
Greg Phillinganes – keyboards
Vocals – Christina Train