JazzFest.Wien Festival History

JazzFest.Wien 2010

Terry Callier | Max Herre

Rathaus/Arkadenhof  20.00 Uhr


Terry Callier (c: Wolfgang Gonaus)Terry CallierTerry Callier (c: Wolfgang Gonaus)Terry Callier

Terry Callier

Sänger, Gitarrist und Liederschreiber, einst als „Der vergessene Prinz des Chicago Soul“ bezeichnet, ist einer der funkelndsten dieser Klangfreibeuter. 1969 debütierte er mit einer Folkplatte auf dem Jazzlabel Prestige. Ein Konzert von John-Coltrane ließ Callier seine Situation überdenken. Er zog sich für ein Jahr zurück und übte wie ein Besessener, um Musik machen zu können, die auch nur annähernd so intensiv ist, wie jene des legendären Saxophonisten.

In den frühen Siebzigern nahm er drei Meisterwerke für das Label Cadet Concept auf, wo er beinahe alles gemeinsam mit seinem Kumpel Larry Wade schrieb. Die Arrangements besorgte der sagenumwobene Charles Stepney, der später auch für Earth, Wind & Fire werkte. Die Platten verkauften nicht sehr gut und Callier verließ Cadet, um bei Elektra zwei weitere superbe Alben u.a. mit Minnie Riperton und Eddie Harris einzuspielen.

Obwohl diesen einiger kommerzieller Erfolg beschieden war, produzierte Callier nur mehr eine Single, um sich dann enttäuscht aus dem Musikgeschäft zurückzuziehen und in der Computerbranche zu arbeiten. Eddie Piller, Gründer des Acid-Jazz-Labels, überredete Callier 1990 dazu, einer Neuauflage von „I don´t wanna see myself (without you) zuzustimmen. Der Rest ist ein kleines Märchen. Die Nummer wird ein Acid-Jazz-Dancefloorknüller. Kompilations mit Callier-Stücken erscheinen. Japanische DeLuxe-Reissues fanden reißenden Absatz. Triumphale Konzerte im Londoner Jazzcafe folgten und die Djs Gilles Peterson und Russ Dewbury überreden Terry eine neue Platte aufzunehmen, mit neuen Alben wie „Timepeace“ u.a. mit Pharoah Sanders aufgenommen, eroberte Callier Europa und Japan.

Es wurde ein Meisterwerk von der Güte eines „What´s going on“ von Marvin Gaye: Melodien von überirdischer Schönheit, gepaart mit Texten sozialer Relevanz. Dazu kamen deliziöse Drum´n´Bass-Remixes von 4 Hero und Zero 7. Dennoch verlor Callier seinen Vertrag bei Universal Amerika. In der Heimat blieb auch der späte Erfolg eher bescheiden. Danach verbrachte der große Songwriter einige Jahre auf dem famosen Independent Label „Mr. Bongo“zu, wo er superbe Alben wie „Speak your Peace“ veröffentlichte.

In seinen stilistisch zwischen Jazz, Soul und Folk oszillierenden Liedern bereiste er wie stets die Landstriche zwischen Ekstase und Agonie, ist unterwegs zwischen postkolonialistischen Unruheherden und transzendentalen Orten von Frieden und umfassender Harmonie. Der messagegeladene, jazzige Folk-Soul des aus Chicago gebürtigen Troubadours besticht durch sanfte Grooves, üppige Arrangements und die seelenvolle Intonation von Lyrics, die gleichermaßen poetisch wie gesellschaftskritisch sind.

2004 kehrte Terry Callier zum Majorlabel Universal zurück und nahm mit „Lookin´ Out“ neuerlich ein Meisterwerk auf. Es wurde ein sehr melodiöses Album, das wie gewohnt die Grenzen zwischen Jazz, Rhythm & Blues und Folk auf eleganteste Weise aufhebt. Callier, dessen legendäre drei Alben für Cadet vom verstorbenen Arrangeur Charles Stepney betreut wurden, hat zum ersten Male selbst produziert. Neben überraschenden Coverversionen, wie einer zarten Adaption vom Beatles-Klassiker „And I love her“ und dem fast vergessenen Folksong „What about me (what you gonna do about me)“ von Dino Valente, einem späteren Mitglied der Band Quicksilver Messenger Service, brilliert Callier in seinen selbstverfaßten Songs mit Melancholie de luxe wie etwa in „Paris Blues“, wo dem Schmerz des Verlassenwerdens eine der schönsten Melodien der letzten Jahre abgerungen wurde. Dieses leidumflorte Kleinod zeigt, wie süß wohldosierte Wehmut sein kann. Obwohl das Album „Lookin´ Out“ nicht frei von wohl formulierten sozio-politischen Anklagen ist, dominiert der Wohlklang milder Melancholie.

Mit all seinen melodischen und rhythmischen Fähigkeiten war Callier immer schon ein begehrtes Remix-Subjekt für die Bastelbuben von der digitalen Fakultät. Von 4 Hero über Zero 7 bis hin zu Jazzanova reichten die Kollaborationen bislang. Zuletzt hat Robert Del Naja von Massive Attack gleich ein ganzes Album mit Callier eingespielt. „Hidden Conversations“ wurde ein atmosphärisch dichtes Album, das auf äußest ansprechende Weise Triphop-Düsternis mit hoffnungsvoller Stimme und Akustikgitarre zusammenbringt. In Wien ist er mit einem Septett zu hören.

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Max Herre (c: Daniel Sannwald)Max Herre (c: Daniel Sannwald)Max Herre (c: Daniel Sannwald)

Max Herre

Der 1973 in Stuttgart geborene Max Herre gehört zu den vielseitigsten Musikern Deutschlands. Schon mit fünfzehn Jahren gründete er seine erste Kombo Seedless Jam. Bald experimentierte er mit Hiphop und gründete mit zwei Freunden gemeinsam das Outfit Freundeskreis, mit dem er früh zur Legende wurde. 1997 debütierten Freundeskreis auf Four Music, dem Label der Fantastischen Vier. Mit dem Song „A-N-N-A“ gelang der kommerzielle Durchbruch. Das Album „Esperanto“ verkaufte 1999 gar 300000 Einheiten.

Am Höhepunkt seiner Popularität zog sich Herre zunächst in die zweite Reihe zurück. Er entwickelte das Konzept der FK Allstars, die es Künstlern wie Gentleman, Joy Denalane, Afrob und Sekou ermöglichte, auf den größten Festivals Deutschlands zu reüssieren. Für Schlagzeilen sorgte er 2002 mit der Produktion des Albums „Mamani“, das als erstes echtes Soulalbum Deutschlands gilt.

2004 startete Herre seine Solokarriere, mit der er den Wandel zum nachdenklichen Singer-Songwriter vollzog. 2009 folgte dem gelungenen Debüt endlich die Fortsetzung. Auf der klassisch folkig instrumentierten Liedersammlung „Ein geschenkter Tag“ brilliert der gereifte Herre als melancholischer, dann wieder humorvoller Liedermacher. Statt mit flamboyantem Soul und Hiphop verwöhnt der Wahlberliner nun mit Rio-Reiser-Stimme und Udo-Lindenberg-Attitüde.

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