JazzFest.Wien 2011
Bryan Ferry
Der 1945 geborene Bryan Ferry ist ein Meister im Entfachen von Leidenschaft. All die geheimnisvollen Blicke ätherischer Fräuleins auf seinen Covers, sein mondäner Sound zwischen Blue-Eyed-Soul, Avantgarde-Rock und dreißiger Jahre-Schlager, dazu sein ewigschlanker Leib, im feinsten Zwirn – das alles lässt Fantasien aufkommen. Ferry ist als Stilikone nicht nur Objekt der Sehnsucht von Damen aller Generationen, sondern nicht selten Rolemodel vieler Arbeiterklasseknaben. Schließlich entstammt der Sänger mit der noblen Aura einer schlichten Bergmannsfamilie.
Obgleich er mit seiner Band Roxy Music stark zukunftsgerichtete, exzentrische Stilcollagen machte, galt seine geheime Liebe immer schon der sensitiven Interpretation von Liedgut aus versunkenen Epochen. Tin Pan Alley, Doowop und Soul waren die bevorzugten Quellen, an denen sich Ferrys gebrochen-sentimentale Stimme labte. Man erinnere sich nur an die introspektive Ekstase seiner Version von „These Foolish Things“, an seine tränenerstickte Adaption von „Smoke gets in your eyes“ oder an sein Blue-Eyed-Soul-Juwel „The Tracks of my Tears“. Für Langzeitverehrer von Ferrys Kunst war es keine Überraschung, dass er 1999 ein deliziöses Album mit Vokaljazz der dreißiger und vierziger Jahre einspielte.
Im Vorjahr feierte Ferry abermals ein großes Comeback mit dem Album „Olympia“, mit dem er wieder an den sensitiv-melancholischen Sound von „Avalon“ anschloss. Dafür umgab er sich mit vielen alten Kumpanen von Brian Eno über Chris Spedding bis hin zu Flea und David Gilmour. Die Mischung aus delikaten Coverversionen und verschummerten Originalen war schlicht wunderbar. In detailverliebte Wall-of-Sound-Arrangements gehüllt, evozierte Ferrys leicht ölige Stimme einmal mehr eine Atmosphäre von Zeitlosigkeit und fast sündhaftem Luxus.