JazzFest.Wien 2013
„Azzurro war es nicht!“
Paolo Conte
24.6.2013 Wiener Stadthalle
Er ist keiner, der seine Publikum busselt und herzt. Stattdessen gibt er den Brummler und Grantler. Sein Publikum hingegen würde ihn wohl schon gerne auf Händen tragen, den Paolo Conte, der am gestrigen Abend in der Stadthalle Wien den zweiten Abend des Jazz Fest Wien bestritt. Und wie war’s?
Auf alle Fälle nicht einfach. Fangen wir mit dem Schluss an: In die Bim an der Haltestelle next to Stadthalle, am Urban-Loritz-Platz, so um 22.00 Uhr, steigen Menschen mit zufriedenen Gesichtern ein. Ganze Familienverbände, Mutti, Papa, Onkel, Tante, Kinder. Für die Zufriedenheit hat offensichtlich der gemeinsame Konzertbesuch bei Paolo Conte gesorgt. Mit einem Tentett fabulöser Instrumentalisten war der jazzbegeisterte Italiener gekommen, und die Lichtregie setzte sie hübsch in Szene. Das Publikum empfing ihn mit lautem Jubel, und es waren genug Fachkundige im Publikum, die alle Anfangsakkorde bekannter Songs sofort klatschend mit Applaus begrüßten.
Eben diese Fachleute saßen nun zu zweit oder gleich im Familienverbund in der Bim und diskutierten, wie es denn nun war, dieses Konzert? „Der hat Charisma!“ – „Dieses Lied mit dem „Wonderful“, das war leiwand!“ – „Und hast du den Geiger und den Akkordeonisten gehört, bei diesem langen, schnellen Stück?“ – „Ja, das war urgut!“ – „Und wie hieß dieses eine Stück, wo das Publikum gleich am Anfang geklatscht hat?“ – „Na, ‚Azzurro’ war es nicht!“ – „Stimmt, das hätte ich mir als Zugabe gewünscht.“
Die Zugabe war ein bisschen kurz geraten, weil der 76jährige, längst zur Symbolfigur der italienischen Cantautori-(Liedermacher-)Szene geworden, unbedingt ein Rendez-Vous mit dem Flieger in Richtung Heimat einhalten wollte. Dafür war aber der zweite Teil des Konzerts deutlich lebendiger geraten als der erste. Conte, nicht gerade der größte aller Musikkommunikatoren, schien nicht gerade bestrebt zu sein, irgendeinen Kontakt mit dem Publikum herzustellen. Er sang seine Lieder, begleitet von einem perfekt aufspielenden Orchester. Mehr nicht. Eine Bläsersektion verstreute Zucker in Form von Swinganleihen, drei Gitarristen verbanden sich als Rhythmusknechte mit der energisch aufspielenden Rhythmusgruppe im Stil des Gypsy-Jazz, ein Stehgeiger zauberte ebenfalls Gypsy-Klänge herbei, und wenn dann noch ein Akkordeonist melodienselig ins Spiel kam, erhoben Elegie, Eloquenz und Melancholie stoisch ihr Haupt. Brummelig, der alte Herr. Erst im zweiten Teil des Sets wurden die Stücke intensiver, die Instrumentalisten drehten auf, und als es zum Ende kam, strömten die Fans von allen Seiten zur Bühne, und der Jubel wollte kein Ende nehmen. Sehnsüchtig warteten die Fans vor der Absperrung, erwarteten noch einen Auftritt, ein Zeichen des Meisters. Ihr Busserl-Wunsch war von ihren Gesichter abzulesen.
Mit diesen Jublern sitzt man dann in der Bim. Nur glückliche Gesichter. Das ist wirklich auffällig. Denn je weiter sich die Bim von Station zu Station in die Nacht vorarbeitet, um so grimmiger sind die Gesichter der Menschen, die neu einsteigen. Gumpendorferstraße? Na ja. Margaretengürtel? Puh! Arbeitergasse? Hilfe, Angst! Es ist, als würde man sich von der Sonne entfernen, dem Zentrum des Spaßes an diesem Abend.
Welch ein Unterschied zu dem Konzert mit Bobby McFerrin, der am 17. Juni das Jazz Fest Wien eröffnete. McFerrins Konzerte sind Versuchsanordnungen in Kommunikation, Conte hingegen ist eine etwas andere Natur. Glück verschenken sie aber beide. Trotzdem ist der Unterschied zwischen ihnen so groß wie der des Wetters an diesem Abend und dem am 17. Juni. Damals war es heiß, und die Körper spenden literweise inwendiges Wasser in Form von Schweiß nach außen. Gestern hingegen war es kalt, und Außenwasser rieselte in Form von Regen vom Himmel herunter. Nicht vergleichbar, aber trotzdem wird alles nass. Und wie nass wird es erst werden, wenn wir alle Freuden- und Lachtränen beim Auftritt von Helge Schneider am 27. Juni in der Stadthalle vergießen werden? (Fortsetzung folgt)
Harald Justin