JazzFest.Wien Festival History

JazzFest.Wien 2013

Black Experience

Gregory Porter
5.7.2013 Porgy & Bess

Wenn Rebekka Bakken die nordisch-folkloristische Antithese zum afroamerikanischen Jazz ist, was ist dann wohl Greogry Porter, der am gestrigen Abend im Porgy & Bess auftrat?

Keine Frage, Rebekka Bakken ist eine großartige Sängerin, die ihre größten Momente hat, wenn sie zu leiser Begleitung ihrer kraftvollen Stimme erlauben kann, große Räume der Freiheit zu erschließen. Dafür müssen ihre Songs nicht swingen, sie brauchen den Gesetzen des afroamerikanischen Jazz nicht gehorchen, weil Rebekka Bakken vor dem Hintergrund nordischer Folklore und moderner Pop-Musik singt. Eine ausverkaufte Wiener Staatoper zeigte, dass diese Art der Musik ein begeistertes Publikum in Wien findet.

Leicht, oder besser: eigentlich komplett anders singt Gregory Porter. Er kommt aus der afroamerikanischen Tradition des Jazz-Gesangs. Nach Bobby McFerrin, sicherlich ein Solitär des Jazz-Gesangs, nach Charles Bradley und Bobby Womack, ist er der dritte Sänger, der dezidiert von der amerikanischen Erfahrung singt.

Schon vor zwei Jahren beeindruckte der großgewachsene Sänger mit dem Kopfverband in einem gemeinsamen Konzert mit den Gesangskollegen Mansour Scott und Donald Smith, begleitet von Paul Zauner’s Blue Brass. Als Great Voices of Harlem problematisierten sie das alltägliche Leben der Afroamerikaner, und die Musik dazubediente sich all der Elemente afroamerikanischer Musik. Sie swingte, war so tiefschwarz wie melancholisch süß, tieftraurig wie lebensbejahend.

Offenbar hatte Gregory Porter sich bei diesem Konzert (und mit seinen CDs) in Wien viele Freunde gemacht. Denn gestern war das Porgy gerammelt voll, und das Publikum bekam, was es wollte, nämlich die große Kunst eines afroamerikanischen Sängers. In seiner Baritonstimme schwang die ganze Tradition afroamerikanischen Gesangs mit, man hörte vor allem Anklänge an Leon Thomas, manchmal etwas Marvin Gaye, in einigen Momenten ließ Lou Rawls grüßen. Und trotzdem ist Gregory Porter einzigartig.

Mächtig wie ein Bär im weißen Anzug stand er auf der Bühne und verlieh dem afroamerikanischen männlichen Jazz-Gesang eine typische Form der Grazie. Denn wenn Musik etwas mit Kommunikation zu tun hat, dann hat er seine Lektion gut genug gelernt, um sie an diesem Abend mit dem Publikum zu teilen. Vorbildlich, wie er seine Songs vorstellt, ihren Inhalt dem Publikum nahe zubringen versucht.

Seine Stimme ist mächtig, manchmal sang er melodiöse, abstrakt klingende Linien, die trotzdem immer an den Rhythmus der grandios aufspielenden Band gebunden bleiben. Er benutzte seine Stimme wie ein Instrument, und der Saxofonist antwortete, indem er sein Instrument wie die menschliche Stimme klingen ließ. Es reichen kurze, prägnante Soli, etwa vom Saxofonisten oder vom Bassisten, die klar machten, dass afroamerikanischer Jazz nicht tot ist. Er lebt vor allem auch dort, wo die Songs immer wieder Anleihen bei bekannten Songs machen, dann aber aus dem Annäherndbekannten heraus zu neuen Ufern aufbrachen.

Das neue Ufer bleibt bei Gregory Porter natürlich das alte Ufer. Soll heißen: Porter gehört zu den Sängern, die kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn es um die Zustände in Amerika geht. Politisch bewusst, singt er eben nicht nur von Liebe und dem Leben zwischen Fjorden und Ponyhof, sondern auch von der schwarzen Erfahrung mit Rassismus und Armut. Immerhin, tiefschwarz ist die Haselnuss, und tiefschwarze Politiker gibt es auch hierzulande.

Mal hören, was George Benson dazu beim Konzert am Samstag, dem 6. Juli in der Staatsoper zu singen hat? Etwa, so einer seiner Songtitel: „Tell It Like It Is“? (Fortsetzung folgt)
Harald Justin

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