JazzFest.Wien Festival History

JazzFest.Wien 2010

James Carter Quintet

Porgy & Bess  21.00 Uhr

Tickets auch im Porgy & Bess erhältlich
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James Carter

James Carter

James Carter, 1969 in Detroit geboren, hat eine besondere Beziehung zu seinen Instrumenten. Da kann es schon passieren, dass er auf der Bühne seinem Saxofon ein Küsschen verpasst, dass er mit seiner Flöte spricht, bevor er sie spielt. Dann hat es aber nicht selten ein plötzliches Ende mit den Zärtlichkeiten. Carter kann gesittete Swingnummern auf interessante Art ausfransen lassen, gerät überhaupt erst auf Betriebstemperatur, wenn die Noten vom Papier kullern und sich die Growl- und Soundeffekte majestätisch platz machen.

Der großgewachsene Musiker spielt zuweilen wie eine multiple Persönlichkeit. Ein kleines Rucken mit dem Schädel und der erwachsen gewordene einstige Young Lion katapultierte sich in eine neue ästhetische Sphäre. Mal ist er wilder Harlemit, dann läßt er die vitale Ära des Cotton Club der vierziger Jahre wiederauferstehen, dann wieder gibt er jäh den bluesgetränkten Kansas-City-Jazzer nur um in den nächsten Sekundenbruchteilen Free-Jazz-Eskapismus à la John Coltrane zu betreiben. Nicht nur beherrscht er es auf bestechende Weise die patinierten alten Melodien anzureissen, nein, er legt auch bewährten Groove-Klassikern von Heroen wie Gene Ammons und Eddie Lockjaw neue Schmutzschichten an. Darüber hinaus hat dieser wilde Mann seine Formensprache nicht bloß von Swing und Avantgarde, sondern auch aus Bootsy Collins´ P-Funk oder den halbirren Raps eines Ol´Dirty Bastard entwickelt.

Nach längerer Wartezeit nach herausragenden Alben wie „Chasin´ The Gyspy“ und „Gardenias For Lady Day“ brachte Carter 2008 mit „Present Tense“ ein weiteres Zeugnis seiner die Avantgarde mit der Tradition versöhnenden Kunst heraus. Der Autodidakt, der beim kryptisch agierenden Meister Donald Washington, einem Motor der Detroit-Szene der fünfziger- und sechziger Jahre, in die Lehre ging, liebt es gleichermaßen nostalgisch wie radikal neu.

Einerseits konversierte Carter in der Vergangenheit souverän mit den Altvorderen („Conversin´ with the Elders“) von Harry „Sweets“ Edison bis zu Hamiet Bluiett und Flip Phillips, andererseits war Carter schon von Beginn seiner Plattenkarriere an, darauf aus, seinen unverwechselbaren Ton mit Eigenkompositionen zu zelebrieren, die inspiriert sind, nicht bloß von der Jazzhistorie zwischen Swing und Avantgarde. Egal, ob an der Seite von Operndiva Kathleen Battle, in Hammond-B-3-Formationen, im Filmsoundtrack von Robert Altmans „Kansas City“ (in dem Carter Ben Webster mimte) oder bei diversen Studiodates mit großen Namen wie Herbie Hancock oder Cyrus Chestnut – in all diesen Konstellationen bestach Carter durch ungebrochene Neugier an den Noten zwischen den Noten. Der eruptive Überschwang Carter´scher Soli, der das amerikanische Magazin Downbeat zu der bedenklichen Formulierung „blitzkrieg of phrases“ verführte, ist ungebrochen. Der flamboyante Musiker spielt alle vorstellbaren Arten von Saxophon, wobei aber das Tenorsaxophon im Zentrum der Carter´schen Luftsäulenartistik steht. Bei seinen fulminanten Liveauftritten stehen Sopran-, Bariton- und sogar Baßsaxophon stets griffbereit, um die Optionen für größere Ausdrucksbreite blitzschnell realisieren zu können.

line up:
James Carter – saxophones
Corey Wilkes – trumpet
Gerald Gibbs – piano
Ralphe Armstrong – bass
Leonard King – drums

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