JazzFest.Wien 2010
Muthspiel/Grigoryan/Towner
Als innovativer Gitarrist ist Wolfgang Muthspiel seit vielen Jahren ein prestigeträchtiger Exportartikel österreichischer Kunst. Lange beschäftigte sich dieser Virtuose auch mit den Möglichkeiten der Elektronik, versuchte den Spagat zwischen Experiment und Dancefloor. Er erweiterte seine Ausdrucksmöglichkeiten, indem er sich neuerer Methoden wie Sampling bediente, mit denen er das konventionelle Spektrum des Jazz zu erweitern trachtet.
Im Vorjahr überraschte er mit einem Schritt in eine unerwartete Richtung. Er gründete zusammen mit seinen Kollegen Slava Grigoryan und Ralph Towner ein Gitarrentrio. Auch in dieser Konfiguration versucht er mit der Erwartungshaltung der Hörer zu brechen. Mit Hilfe von „Live-Sampling“, einem Verfahren, das einen quasi-orchestralen Rahmen schafft, versucht der Judenburger auch hier Klangmagie zu kreieren.
Die Initiative zu diesem wunderbaren Trio ging von Slava Grigoryan aus, der sowohl Towner wie auch Muthspiel bei Solokonzerten in Australien hörte und dabei die Idee für ein gemeinsames Trio hatte. Als gemeinsames Fundament diente den drei Virtuosen ihr Background in der Klassik. Als jemand, der klassische Gitarre gelernt hat, pflegt man eine andere Herangehensweise ans Instrument als ein waschechter Jazzer. Muthspiel: „Klassische Gitarre ist ein sehr leises, sehr fragiles Instrument und man muss sich sehr bemühen, um aus diesem kleinen dynamischen Spektrum einen großen Raum erschaffen zu können. Man muss da sehr viel auslassen, viel die imaginierte Musik walten lassen. Richtig abdrücken kann man auf diesem Instrument nicht. Höchstens im Flamenco.“
Konsequenterweise steht bei diesem Trio die Komposition im Zentrum. Improvisation passiert auch, ist aber eher Ornament. Anders als bei seinem 2005 verstorbenen Lehrer Harry Pepl, entfaltet die Musik bei Muthspiel nicht jenes zerstörerische Potential. Bei Pepl löste sie so etwas wie innere Lawinen aus. Im Leben Wolfgang Muthspiels gibt es hingegen keine großen Turbolenzen, die er auf der Gitarre ausagiert. Er sucht etwas anderes. Ihm geht es darum, jenen Punkt zu erreichen, wo sich das Instrument quasi von selber spielt. Die sind naturgemäß rar. Ganz in diesem Sinne deutet Muthspiel sein Art von Radikalität anders als die meisten. Ihm geht es nicht um eindrucksvolle Dissonanzen in seiner Musik, sondern um ein Entfernen von allem, das ihn behindert. Namentlich um all die Gewohnheiten und Sicherheiten, auf die sich ein Instrumentalist sonst stützt. Genau dieser Aspekt von Muthspiels Persönlichkeit ist Garant für permanente musikalische Spannung. Als Musiker, wie auch als Labelbetreiber von Material Records, wo er Kollegen unter Vertrag nimmt, die ihm ein Anliegen sind. Etwa die Sängerin Lisette Spinnler oder die famosen Pianisten Jean-Paul Brodbeck und Aydin Esen.
Manu Katché
Manu Katché, Schlagzeuger der Sonderklasse, wurde 1958 in Saint-Maur-des-Fossés geboren. In Paris aufgewachsen, machte er nach Anfängen als Pianist, eine Ausbildung zum klassischen Perkussionisten. Entdeckt wurde der Rhythmusmeister mit den westafrikanischen Wurzeln von Peter Gabriel, dem ehemaligen Genesis-Frontmann, der sich längst als Weltmusikpionier mit seinem Real-World-Label einen viel klingenderen Namen gemacht hat.
1986 debütierte Katché auf Peter Gabriels Album „So“. Sein luftiges Spiel löste eine Vielzahl an Folgeaufträgen aus. Er bildete in der Folge gemeinsam mit dem Bassisten Pino Palladino und dem Gitarristen Dominic Miller ein Trio, das auf unzähligen Popalben agierte. Unter den namhaften Popartisten für die Katché spielte, sind Joni Mitchell, Sting, Tori Amos, die Dire Straits, die Simple Minds und Jeff Beck. Zudem beeindruckte Katché auf Alben der improvisierenden Zunft, reichend von Jan Garbarek und Tomasz Stanko bis hin zu Branford Marsalis.
Auch auf seinen eigenen Alben verfolgte er beide Pfade. Mit Vitalität, aber bewusst verdeckter Virtuosität agiert er sowohl im Pop/Weltmusikbereich, wie im anspruchsvolleren Jazzsegment. Seine Rhythmen sind durch Sensibilität und Zurückhaltung gekennzeichnet. Wenn er Grooves ausschmückt, dann tut er dies in einer sehr eigenen, sparsamen Art. Dieser „ornamented Groove“ ist sein Markenzeichen.
Bislang hat Manu Katché vier Soloalben auf den Markt gebracht. Dem poppig gehaltenen Debütalbum (mit Beiträgen von Peter Gabriel und Sting) von 1991 folgte mit „Neighborhood“ erst 2005 der zweite Streich. Dafür aber auf dem renommierten Label ECM. Auch das superbe „Playground“ von 2007 und das anspruchsvolle „Third Round“ erschienen auf dem Label von Manfred Eicher.
Einem größeren Publikum bekannt wurde der weltoffene Drummer mit seiner, gemeinsam mit Alice Tumler präsentierten Musikshow „One Shot Not“, bei der die beiden spannende Jamsessions mit aufstrebenden oder noch kreativ gebliebenen Altstars sämtlich vorstellbarer Stilrichtungen organisieren.